Irmgard Wibmer ist die „Kräuterhexe“ im Gradonna Mountain Resort in Osttirol. Sie ist ausgebildete Gesundheitspädagogin, Masseurin und Bergwanderführerin. Mit Hotelgästen geht die einheimische Kalserin heute auf Kräuterjagd.
Ausgerüstet mit Stofftaschen machen wir uns auf den Weg zur Kräuterwanderung. Eine bunt gemischte Gruppe, eskortiert von zwei Hunden, die ebenfalls ihren Spaß bei diesem Ausflug haben. Unmittelbar neben dem Hotel zeigt uns Irmgard Wibmer die ersten Kräuter und erklärt deren Wirkung. Das Gute liegt hier ganz nah.
Vielseitige Wirkung – „Wir sind umgeben von einer Naturapotheke“, erzählt sie. Da ist zum Beispiel die weiß blühende Schafgarbe, die gut gegen Entzündungen ist. Die verschiedenen Kleesorten enthalten Phytohormone, die den menschlichen sehr ähnlich sind und so regulierend bei Unterleibsbeschwerden oder in den Wechseljahren wirken.
Wer vom Wandern Blasen an den Füßen hat, kann zu Wegerichblättern greifen, die wie ein Pflaster auf die Haut gelegt werden. Einreiben hilft gegen Insektenstiche und als Tee oder kalt angesetzt hilft besonders der Spitzwegerich gegen Atemwegserkrankungen. Die Samen können wie Leinsamen eingesetzt werden und sind gut für Magen und Darm.
Familienwissen und enge Verbindung zur Natur – Mit den Kräutern hat Irmgard Wibmer ihr Hobby zum Beruf gemacht. „Das Kräuterwissen liegt bei uns in der Familie und so wird es auch weitergegeben.“ Die enge Verbindung zur Natur lebt sie seit ihrer Kindheit, hat die Sommer auf der Alm verbracht und war viel draußen. „Das meiste habe ich von meiner Mutter gelernt aber auch mein Großvater war, wie ich es nenne, ein versteckter Schamane. Er hat uns immer Geschichten zu den verschiedenen Pflanzen erzählt“, erinnert sich Wibmer.
Kräuterwanderung – Mit allen Sinnen
Immer wieder legen wir einen Stopp ein. Es wird geschaut, gerochen, angefasst, gekostet. Die Kinder naschen begeistert die Walderdbeeren am Wegesrand. Achtsamkeit mit der Natur spielt eine wichtige Rolle. Gepflückt werden niemals alle Blüten oder Pflanzen, schließlich soll sich die Pflanze weiter vermehren.
Irmgard Wibmer hat auf der Kräuterwanderung einige Thermosflaschen mit heißem Wasser im Rucksack, in die jetzt die frischen Kräuter gefüllt werden. Nach ca. 10 Minuten ist der Tee fertig und wird verkostet. Irmgard Wibmer erklärt, was gut schmeckt und in den Haustee passt und aus welchen Pflanzen – zum Beispiel wegen der enthaltenen bitteren Gerbstoffe – ein Spezialtee zubereitet wird.
Kräuter und Blumen am Teller – Die Kräuter haben aber nicht nur eine Heilwirkung, sie schmecken außerdem gut. „Es war so lecker“, schwärmt eine Urlauberin von den Knödeln des gestrigen Abendessens und möchte wissen, welche Pflanze für diesen besonderen Geschmack verantwortlich war. Es ist die Meisterwurz, verrät Irmgard Wibmer.
Tee und Tinkturen zu Heilzwecken sind die eine Sache, der Einsatz in der Küche des Gradonna in Osttirol eine andere. Irmgard Wibmer bringt die Kräuter Küchenchef Michael Karl, der daraus zum Beispiel leckere Pesti zaubert. Das Labkraut unterstützt nicht nur das Lymphsystem, es macht sich auch gut als Fülle für Ravioli. Die Blätter des Blasen-Leimkrautes werden ein köstlicher Wildspinat. Disteln (Vergleiche die südländische Artischocke) schmecken ebenso hervorragend. „Gerade für Vegetarier hat die Natur unglaublich viel zu bieten“, so Wibmer.
Bunte Ausbeute am Teller – Am Abend im Gradonna in Osttirol freue ich mich fast wie ein kleines Kind, als ich tatsächlich die von uns gesammelten Kräuter im Essen wiederfinde. Aus dem Risotto lacht der lilafarbene Wiesenknopf, verfeinert wurde es mit einem Wildkräuterpesto und an der Vorspeise erkenne ich die gelben Blüten des Hornschotenklees. Ich weiß jetzt, welche Wirkung diese Pflanzen haben und lasse sie mir daher besonders genüsslich auf der Zunge zergehen.
Einige Tipps und Tricks von Irmgard Wibmer habe ich mir notiert. Sie werden dann natürlich zu Hause ausprobiert. Bei einer gemütlichen Tasse Kräutertee werde ich dann an diese großartige Landschaft zurückdenken. Das macht warm ums Herz.
Verwendung und Zubereitung – Was zwischen drei Fingern Platz hat, kommt an frischen Kräutern in eine Tasse Tee, in getrocknetem Zustand braucht man etwas mehr. Mit kochendem Wasser überbrühen und ca. 10 Minuten ziehen lassen. Als Kur werden drei Tassen pro Tag getrunken, schildert Wibmer.
Nicht alle Kräuter werden zu einem Tee verarbeitet. Manche werden nur äußerlich verwendet. Ein Beispiel sind Huflattich-Blätter, die für rund 10 Minuten auf von Computerarbeit müde Augen gelegt werden. Andere Kräuter werden in Öl oder Schnaps angesetzt oder zu einem Auszug verarbeitet, der z.B. in Form von Umschlägen zum Einsatz kommt. Lärchenharz enthält natürliches Cortison und wird zu einer Zugsalbe verarbeitet.
Im Frühjahr werden die Blätter, im Sommer die Blüten und im Herbst die Wurzeln der Pflanzen verwendet.
Aufpassen muss man beim Sammeln von Kräutern und Pflanzen trotzdem, denn es gibt auch giftige. „Meistens sind Giftpflanzen besonders groß und prächtig“, erklärt die Kräuterkundlerin. Ein Beweis dafür ist der Blaue Eisenhut, eine der giftigsten Pflanzen in den Alpen. Schon wenige Milligramm davon können tödlich sein. „Tiere und Kinder meiden diese Pflanzen oft instinktiv“, weiß Wibmer.
Irmgard Wibmer bietet im Gradonna in Osttirol neben den Kräuter- auch Barfuß-, Sonnenaufgangs- und Kraftplatzwanderungen an. Im Spa ist sie für die Entspannungsmassagen zuständig.
Text & Fotos: Julia Hitthaler